August 2009


Also ehrlich gesagt …

…. manchmal verblüfft es mich schon ein wenig, wenn in naturwissenschaftlichen Blogs kulturspezifische Phänomene immer nur vom rein physikalischen Standpunkt aus analysiert werden.

Oft hilft ein Blick über die Fachgrenzen hinweg, um die Bedeutung eines Phänomens vollständig zu begreifen.

Nehmen wir zum Beispiel den folgenden Video-Beitrag, der den typischen Ablauf einer sogenannten „esoterischen Beratung“ aufzeigt.

Achtung: Eso-TV !

Fertig angeguckt?

Alles ok bei Ihnen?

Fein.

Für Naturwissenschaftler ist das natürlich starker Tobak und der Sinngehalt dieser Sendungen wird deshalb auch mit viel Spott und Häme Engagement und konzentrierten Fachwissen kritisiert.

Aber gerade dieses Videomaterial zeigt doch auch, dass unser Schicksal nicht von den Sternen oder zufällig gezogenen Karten, sondern in weit größerem Umfang von den Interessen der Nahrungsmittelindustrie kontrolliert wird.

Somit müssen sozio-ökonomische Interdependenzen unter der Berücksichtigung psycho-physiologischer Zusammenhänge ebenfalls untersucht werden.

Stichwort: Bulemie

Was gibt es Besseres für den Quartals-Umsatz, als Legionen von Lebensmittelkonsumenten, die neben ihren Fernseher einen riesigen Kühlschrank mit Nahrungsmittelvorräten aufgestellt haben und sich während der Eso-TV-Sendung pfundweise Sahnetörtchen, Pizza (bitte vorher erwärmen) und Eiscreme reinziehen?

Dieses für Lebensmittelproduzenten ökonomisch vorteilhafte Phänomen läßt sich rein naturwissenschaftlich erklären:

Streng physikalisch betrachtet, ist das Volumen im Magen nämlich nicht unendlich – zumindest innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Dies gilt auch dann, wenn man das durch astronomische Beobachtungen gut gestützte Standardmodell eines expandierenden Universum zugrunde legt.

Irgendwann im Verlauf einer Fressattacke ist der Magen gefüllt. Genau dann, wenn die Mollikühle der einzelnen Nahrungsbestandteile im Magen so eng zusammengerückt sind, dass die Abstossungskräfte der zugehörigen Elektronenhüllen unüberwindbar werden.

Genau an diesem Punkt kommt „Esoterik-TV“ ins Spiel:

Nach Einstellen des Senders werden raffinierte aufeinander abgestimmte Licht- und Schallmuster erzeugt, die in der Wechselwirkung mit den Sinnesorganen (Auge, Ohr) bei entsprechend sensibilisierten Personen den sogenannten „Brechreflex“ auslösen können.

Vorteil: Der Magen wird ohne chemische Hilfsstoffe auf sanfte natürliche Weise entleert und ist nach einer kurzen Erholungsphase bereit für weitere Nahrungsmittelzufuhr.

Nachteil: Diese Prozedur wird in einigen Kulturkreisen als im höchsten Maße ekelhaft unästhetisch empfunden.

Sie halten das alles für wilde Spekulation?

Dann achten Sie doch beim nächsten Mal darauf, wer sich am Apparat meldet, nachdem Sie eine der in Esoterik-TV eingeblendeten Telefon-Nummern gewählt haben.

Und wundern Sie sich nicht, wenn Sie anstelle der netten Esoterik-Beraterin die Bestellannahme eines Pizza- oder Speiseeis-Lieferservice an der Strippe haben.

Das alles hat nichts mit dem „Wink des Schicksals“, „psychokinetischen Strahlen“ oder gar Teleblödie zu tun – es gibt für alles eine einfache ökonomische und naturwissenschaftliche Erklärung.

Noch ein letzter Tipp:

Beim Betrachten der Esoterik-TV-Sendungen den Oberkörper stets leicht nach vorne beugen.

Mit freundlichen Grüßen
blogjoker

P.S.:
Haben Sie sich nicht auch schon häufig gefragt, warum sich in großen Warenhäusern die Abteilung für Unterhaltungselektronik und der Lebensmittelmarkt nie auf der gleichen Etage befinden? Die Notwendigkeit für diese organisatorische Vorsichtsmaßnahme sollte Ihnen nach Lektüre meines Beitrags eigentlich einleuchten.

Bevor wir uns dem eigentlichen Kernthema zuwenden, zunächst eine Begriffsabgrenzung eines umgangssprachlich großzügig verwendeten Begriffes, für den es in der Wissenschaft (noch) keine eindeutige Definition gibt.

Was genau ist eigentlich eine Weinprobe?

Um es kurz zu zu machen: Weinproben sind das beste Beispiel für den Plaecebo-Effekt und streng wissenschaftlich betrachtet natürlich Humbug.

Wie auch bei ähnlich gelagerten Themen aus dem pseudo-wissenschaftlichen Umfeld (Ufos, Nibiru, Weingeist, Homo-Apathie, Mondlandung) tauchen in den seriösen Foren regelmäßig Esoteriker auf und behauten energisch, dass an der Sache doch was dran ist.

Natürlich ist da was dran!

Aber das Ganze lässt sich sehr einfach und ohne jegliche Bezugsnahme auf pseudowissenschaftliche Modelle erklären.

Es ist ganz einfach:
Im Wein ist Alkohol (Ethanol; Summ-Formel: C2H6O) enthalten, der über eine Kette biochemischer Prozesse im menschlichen Körper angenehme psychopharmakologische Effekte auslöst.

Dazu zählt auch eine Simulation des Sprachzentrum, welche die Probanden zur Generierung sprachlicher Artefakte animiert.

Stichwort: Broca-Areal, Wernicke-Zentrum

(nicht zu verwechseln mit der bei Verschwörungstheoretikern beliebten Broccoli-Area 51 und dem Institut der CDU-Ministerin Petra Wernicke)

Klingt Ihnen das zu abstrakt und möchten Sie jetzt lieber ein konkretes Beispiel für derartige Artefakte?

Kein Problem.

Das folgende Textbeispiel wurde von einem Astronomen nach dem Genuß von 862 ml eines Barolo Riserva Vignolo 2001 verfasst und stellt sich dem nüchternen Beobachter durch eine durch Wunschdenken verklärte Sicht auf das Fachgebiet Astronomie dar.

Rubinlaser-Rot. Verschlossene NASA, etwas Teer. Wirkt nach dem Beschuss härter: Weniger Furcht, dafür eine strahlig-mineralogische Note in der Mitte. Langer, zeitiger Abgesang, was sicher auf die tolle Seife zurückgeht, die Nibiru im Jahr 2012 genoss. Braucht Raum und Zeit.

Neben den vertrauten Schlüsselbegriffen wie astronomische Entfernungsmessung (“Rubinlaser“), gestrichene NASA-Projekte (“verschlossen“) , Kometeneinschlag auf Jupiter (“Beschuss“), Gesteinsproben (“mineralogische Note”) tauchen hier auch emotional besetzte Inhalte auf, die auf optimistische Karriereplanungen („Weniger Furcht”) und imaginierte Katastrophenszenarien (“Niburu”) hindeuten.

Zur Beurteilung der Frage, inwieweit die Berufszugehörigkeit einen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung von C2H6O-Sprachkonstrukten hat: Einen ähnlichen Text – vermutlich von einem Hobbyforscher verfasst- finden Sie hier:
Wein-Kritik

Zurück zum Thema:

Es wurde in in wissenschaftlichen Foren viel und leidenschaftlich über das Pro und Contra der bemannten Raumfahrt debattiert.

Auch über die Notwendigkeit von und mögliche Alternativen zu Tierversuchen gab und gibt es immer wieder heftige Diskussionen.

Analog dazu schlage ich eine breit angelegte C2H6O-neutrale Debatte über das Pro und Contra der

unbemannten Weinproben

vor.

Meine persönliche Meinung zu diesem umstrittenen Thema:

Ich denke, mit den uns derzeit zur Verfügung stehenden Technologien ist es nicht mehr notwendig, kostspielige und gefährliche Weinproben von Menschen durchführen zu lassen. Moderne Analysegeräte können den Job schneller, besser – und vor allen Dingen – präziser durchführen.

Mittels ausgetüftelter spektroskopischer Untersuchungsmethoden lassen sich alle chemische Elemente und Verbindungen einer Weinprobe zuverlässig nachweisen.

Dazu muß die Probe nicht wie üblich literweise in einen menschlichen Verdauungstrakt eingefüllt werden – ein paar Tropfen Ausgangsmaterial auf einen Probenträger genügen.

Somit haben unbemannte Weinproben schon mal 2 Vorteile:

1.) Der Verbrauch an teueren Versuchsmaterialien kann auf ein Minimum reduziert werden

2.) Die Folgekosten aufgrund der oft zu beobachtenden zahlreichen phamakologischen Nebenwirkungen können minimiert werden:

  • Kein Bußgeld wegen Fahren im Vollrausch
  • Keine Ausgaben für teure Medikamente gegen Spätfolgen (Aspirin)
  • Keine teureren Reparaturen am PKW (Promille-Unfall)
  • Keine ökologischen Schäden an Sträuchern und Bäumen (Abkommen von der Fahrbahn)

Ich hoffe, es ist mir gelungen, mit meinem bescheidenen Plädoyer die Vorzüge der unbemannten Weinprobe etwas hervorheben.

Zum Schluss noch eine eindringliche Warnung:

Dont’ drink and dive!

Das Trinken der Umgebungsflüssigkeit während eines Tauchvorgangs kann unter bestimmten Umständen die Funktionsfähigkeit der Atemorgane massiv beeinträchtigen und die Sauerstoffzufuhr zu lebenswichtigen Organen negativ beeinflussen.

In diesem Sinne

Ihr Blogjoker